dBâle 2012
dBâle 2012 - Rückblick
Improvisation mit elektronischen Instrumenten am dBâle electronic music festival 2012
Das Thema des diesjährigen dBâle electronic music festival 2012 hiess improvising systems & interactive blind dates. Dabei ging es um spontanes Musizieren, die Improvisation mit elektronischen Instrumenten. Das scheint ein Widerspruch zu sein, da es sich dabei ja nicht selten um programmierbare Systeme handelt, die ein geplantes Vorgehen erfordern.
Diskutiert und ausgelotet wurden, die Möglichkeiten dieses Improvisierens – auch im Unterschied zum intuitiven Spiel mit klassischen Instrumenten – und wie dadurch Stil und Denkweise dieser Musik beeinflusst werden.
So handelte es sich bei der Performance von Benjamin Carey aus Sydney um ein quasi-intelligentes Hybrid-System, wobei er das Saxophon mit einer computergestützten Analyse- und Klangsynthese-Einheit ergänzte.
Auch das Ensemble Splice mit Pierre Alexandre Tremblay (Bassgitarre, Elektronik), Robert Fincker (Tenorsaxophon, Klarinette), Alex Bonney (Trompete, Elektronik) und Dave Smith (Schlagzeug) spielte mit solch einem Hybrid-System ein komplett improvisiertes Set, wobei das musikalische Ausgangsmaterial auf ihr letztes Studioalbum (LAB) zurückgeht. Alle Instrumente wurden zudem mit Mikrophonen abgenommen und durch zwei Lapthops live-elektronisch transformiert.
Der portugiesische Klangforscher Rafael Toral, ursprünglich Gitarrist, präsentierte seine selbstgebauten, neuartigen elektronischen Instrumente, die genau auf die Ästhetik und den musikalischen Ausdruck seiner Stücke abgestimmt sind.
Aber auch herkömmliche Interfaces fehlten nicht. Der Franzose eRikm benutzt eines der ältesten elektronischen Instrumente, den Plattenspieler, und hat sich durch seinen virtuosen Umgang mit dessen reduziertem Bedienkonzept ein eigenes Spielsystem erarbeitet.
Darüber hinaus war ein visuelles, analoges Performance-System, mit dem sich Bilder in Echtzeit komponieren lassen, im Programm. Kathrin Bethge ist eine visuelle Instrumentalistin und hat ein System entworfen, mit dem sie durch verschiedene Flüssigkeiten und Gegenstände Bilder auf einer Glasfläche entstehen lässt und diese über einen Hellraumprojektor auf Wände und Gegenstände projiziert.
Studierende der Klassen Audiodesign, Specialized Music Performance Improvisation und Komposition der Hochschule für Musik Basel präsentierten in zwei Konzertblöcken improvisierte Stücke mit elektronischen Instrumenten. Dazu zählte vor allem IRMAT, ein Forschungsprojekt der Hochschule für Musik Basel. IRMAT ist ein neues Interface für die Performance von elektronischer Musik, das mit Hilfe der Multitouch-Technologie die Möglichkeit bietet, auf intuitive Weise mit den Klangparametern der elektronischen Musik zu interagieren.
Ob sich die verschiedenen Spielsysteme auch für spontanes und intuitives Musizieren eignen, wurde in einem speziellen Konzertformat, den „blind dates“– einer Art Jam-Sessions – ausgelotet. Hier wurden verschiedene Performer und ihre Spielsysteme in Duos zusammengestellt, die vorher noch nie zusammen gespielt hatten! So traf der Basler Schlagzeuger Gregor Hilbe auf Rafael Toral. Beide verbindet eine Vergangenheit als Jazz-Musiker. Hilbes kraftvolles, grooviges Spiel wurde durch die ausdrucksstarken und ästhetisch so wirkungsvollen Klänge von Torals Performance auf solch einmalige und intensive Weise ergänzt, dass das Publikum dieses magische Hörerlebnis mit grossem Applaus belohnte.
Eine ebenso soghafte Wirkung hatte das blind date von eRikm und Katrin Bethge. Die sich ständig in Bewegung befindlichen Bilder, die den Raum mit Farbe und Formen ausfüllten, vereinten sich auf harmonische Art und Weise mit eRikms intensiven Klangschichtungen zu einem einmaligen visuellen Konzerterlebnis, welches sowohl das Publikum als auch beide Künstler sichtlich auskosteten.
Workshops und Artist Talks
Ackermannshof, Salon des Philosophicums, 2. Stock
Samstag, 2. Juni
15:30 Artist Talk Benjamin Carey
Designing for Cumulative Interactivity – the _derivations system
In this seminar Benjamnin Carey will give some background to his work on the _derivations project, an interactive performance system for solo improvisation.
He intends to discuss some aesthetic, practical and technological decisions made throughout the design process, and how these have helped shape the current system that he is performing with during the festival. This session will also provide a forum for discussion surrounding the design of improvisatory systems in general, particularly with respect to issues of machine autonomy and agency, and the role of performer and composers in defining unique contexts for such interactive encounters.
17:00 Workshop Pierre Alexandre Tremblay
Pierre Alexandre will explain how he practices, rehearses and performs bounded improvisation (with and without electronics), and how this skill can be used to enhance the experience of studio composition, of instrumental practice, and even used as a writing technique. Sound examples and DSP instruments will be demonstrated, and workshop participants who are interested to bring their performance setup will then be able to get feedback on their own practice.
Sonntag, 3. Juni
14:00 Workshop Thomas Resch
Software note~ for Max
Thomas Resch stellt die von ihm entwickelte Software note~ for Max vor, die eine vollständige Sequencer-Funktionalität inklusive musikalischer Notation innerhalb von Max/MSP in Form von 4 Objekten implementiert: note~, note.eventEditor, note.score und note.time. Diese erlauben u.a. die Aufnahme und Wiedergabe von Events/Noten in mikrotonaler Auflösung und die Generierung und Darstellung von Notentext in Echtzeit.
In der ersten Hälfte des Workshops wird ein Überblick über die Grundfunktionalität von note~ gegeben, über das grafische Benutzer-Interface, einfaches Editing, Synchro-nisation zum Max-Transport System und der Steuerung von Audio und Video. Die zweite Hälfte widmet sich dem note.score Objekt und der algorithmischen Generierung und Manipulation von Events. Es wird gezeigt, wie komplexe Rhythmen mit sogenannten „Rhythm-Trees“ erstellt werden können, wie das Selektieren/Sortieren, sowie das Editieren und Abspielen von mikrotonalen Event-/Notenmaterial funktioniert.
Performer & Performerinnen
eRikm
Dass der Plattenspieler nicht nur als Abspielgerät benutzt werden, sondern auch ein kreatives Musikinstrument sein kann, ist lange bekannt. Selten genug jedoch kann man einen so virtuosen und ausdruckstarken Interpreten wie eRikm beim Spielen erleben.
Bereits in den 90er Jahren startete eRikm als Turntablist und gilt seitdem als Trendsetter dieses Genres. Musikalisch bewegt er sich in unterschiedlichsten Szenen, von Rock, elektronischer und experimenteller Musik bis hin zur Zeitgenössischen Musik und zählt Altmeister wie Luc Ferrari oder Christian Marclay zu seinen Partnern.
eRikm, © C. Ducasse
Rafael Toral
Since 2004, Rafael Toral is developing the large-scale project called the Space Program. It is a system to physically play experimental electronic instruments and its embodiment. Using non-conventional electronic instruments, Rafael Toral has been suggesting a reflection on the physicality and visuality of human performance as musical gesture. Central to all concert activity in the Space Program, Space Studies is a series of pieces with an open structure in which listening is applied to articulation of sound and silence.
With a jazz sensibility as a starting point and a disciplined matrix of decison-making possibilities, silence is “played” as an essential element in the phrasing. Melodic without notes, rhythmic but without a beat, familiar but strange, meticulous but radically free, Toral performs Space Studies exercising in “post-free jazz electronic music”.
R. Toral © Vera Marmelo
Splice
Pierre Alexandre Tremblay, bass guitar and electronics
Dave Smith, drums
Robin Fincker, tenor saxophone and clarinet
Alex Bonney, trumpet and electronics
Splice’s raison d’être is to mesh together elements of contemporary jazz, free improvision, loud and soft noise, punk grit, ambient music, and more … With players from England, France and Canada, the quartet dissolves boundaries with seamless blends or blunt juxtapositions.
The concert at dBâle electronic music festival is, as every Splice performance, completely improvised. The ensemble will pick its musical material from those sonorities explored on their last album LAB, either from written components or free improvisations, and will weave it with new material and free improvisation, to propose a musical journey on the moment.
Splice, © Tim Dickeson
NYX
Katrin Bethge, Overheadprojektion
Sascha Demand, E-Gitarre
John Eckhardt, E-Bass und Live-Elektronik
Das audio-visuelle Trio NYX verbindet Ambientpunk-Spektraljazz und analoge, visuelle Materialprozesse zu einer gemeinsamen soghaft kosmischen Aktion im Raum…
NYX, © J. Eckhardt
Benjamin Carey
Ben Carey is a Sydney-based saxophonist, composer and technologist. His performance at dBâle electronic music festival will feature his recent _derivations system on both tenor and soprano saxophones, a keyboard improvisation with an earlier system of his entitled multiple playersas well as an improvisation with a recent system developed by Sydney-based English composer and programmer Ollie Bown. Ben Carey wants the computer to surprise, provoke and extend, all the while ensuring that both human and machine continue to speak the same language.
Ben Carey, © J. Hyde
Gregor Hilbe
Basel-based drummer, percussionist and producer Gregor Hilbe has been touring and recording extensively with internationally well known artists like Kevin Davy, John Silverman, Avril, and The Vienna Art Orchestra. He develops new musical blends, combining acoustic and electronic instrumentations. The different languages across the world are a constant inspiration for him to bring together words, music and images.
Currently he’s performing with Tangocrash, Kaspar Ewalds Exorbitantes Kabinett, BOWW tribal poetry and many more.
At dBâle electronic music festival he will be jamming with Rafael Toral.
Gregor Hilbe, © Eva Flury
Amadis Brugnoni
Amadis Brugnoni arbeitet mit Jose Navarro am Forschungsprojekt IRMAT [Interface Research for Musical Applications and Tools] der Abteilung Forschung & Entwicklung der Hochschule für Musik Basel. Das Forschungsteam beschäftigt sich mit der Aufgabe, neue Bedienkonzepte zur Steuerung von elektronischer Musik zu konzipieren, realisieren und zu erproben. Dafür greift es auf die Multitouch-Technologie zurück. www.irmat.ch
Für dBâle electronic music festival wird Amadis Brugnoni eine improvisierte Live-Performance mit dem Titel 130DEZIBEL mit IRMAT realisieren.
Unterstützt wird diese Komposition von der UBS Kulturstiftung.
A. Brugnoni, © Giuditta Schera
Thomas Resch
Seit 2008 arbeitet Thomas Resch am Projekt note~ for Max als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter an der Abteilung Forschung und Entwicklung der Hochschule für Musik Basel. Er wird die interaktive Komposition wings and halos präsentieren, eine autogenerative Komposition für zwei Instrumente und Live-Elektronik, die mit Hilfe der Software note~ for Max gesteuert wird.
Unterstützt wird diese Komposition von der UBS Kulturstiftung.
© T. Resch
Veranstaltungsort
Ackermannshof
St. Johanns-Vorstadt 19-21
4056 Basel
www.ackermannshof.ch